Über #célinesvoice
Unser Herzensprojekt
Wir sind Candid und Nadya Pfister, die Eltern von Céline, die sich am 28. August 2017 mit knapp 14 Jahren wegen Cybermobbing das Leben genommen hat. Wir haben unsere einzige und geliebte Tochter verloren und haben es zu unserer Aufgabe gemacht, schonungslos darüber aufzuklären.
Wir zeigen auf, was Cybermobbing wirklich heisst und dass in der Schweiz die gesetzlichen Grundlagen dazu fehlen. Unsere Gesetzte sind überholt und nicht mehr zeitgemäss. Die Gesellschaft braucht eine Justiz, die internetfähig ist, eine Justiz auf der Höhe der Zeit von digitalen Telekommunikationsmitteln, eine, die sich damit auskennt.
Aus der Aufgabe wurde ein Herzensprojekt und wir beide legen unser ganzes Engagement in celinesvoice und auf die Jugendlichen. Ihnen sprechen wir aus dem Herz, denn sie und ihre Feedbacks haben uns motiviert weiterzumachen. Sie bestärken uns auch nach 4 Jahren noch, dass wir nicht damit aufhören sollen; «endlich redet mal jemand darüber», celinesvoice ist auch ihre Stimme und sie tragen sie weiter, in ihre Stube, in ihren Chats und an ihren Lehr- oder Ausbildungsort.
Seither kämpfen wir medial, öffentlich, in Schulen, in Vorträgen und Abschlussarbeiten, auf Instagram, Tiktok und Facebook unter dem #célinesvoice für die Sensibilisierung und einen Straftatbestand Cybermobbing.
Dank unserem Fall, der schweizweit diskutiert wird, hat SP-Nationalrätin Gabriela Suter im Juni 2020 eine parlamentarische Initiative eingereicht. Im Nationalrat wurde die Initiative 2021 angenommen, jetzt fehlt noch die Annahme im Ständerat. Für dieses Engagement wurden wir im Herbst 2020 stolze Gewinner des Prix Courage vom Beobachter und wir sind den LesernInnen und der Jury sehr dankbar dafür.
Der Zeitpunkt ist gekommen und er ist jetzt. Die Eltern von Céline gründen einen eigenen Verein mit dem Namen celinesvoice.ch und das Gründungsdatum ist Célines Geburtstag, der 3. Dezember 2021. Allen, die uns bis jetzt immer unterstützt haben, gilt unser aufrichtiger Dank, all denen, die uns immer wieder ermutigt haben, dass wir das auch schaffen können und den Weg weitergehen sollen.
Candid und Nadya mit Céline
Laudatio «Beobachter Prix Courage» 2020
Von Jury-Präsidentin Susanne Hochuli
In den letzten Tagen kam mir immer wieder die erste Zeile von Bertold Brechts Gedicht «An die Nachgeborenen» in den Sinn: «Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!»
Wie oft haben wir in den letzten Tagen, Wochen, Monaten zueinander gesagt: Was für schwierige Zeiten, was für eine verrückte Welt, welch schlimmes Jahr, welch finstere Zeit.
Ja, das Leben ist für viele schlimm und traurig geworden. Viele hingegen müssen einfach verzichten auf gewohnte Dinge, die das Leben angenehm machen, aber ohne die es auch geht. Und auch jene, die auf Verzichtbares verzichten müssen, finden: «Wirklich, wir leben in finsteren Zeiten!»
Zum Glück muss ich Leid und Verzicht nicht gegeneinander aufwiegen. Zum Glück muss ich nicht bewerten, was wirklich finster und schlimm ist. Und doch ist bei der diesjährigen Sitzung der Prix Courage Jury immer wieder gesagt worden: «Das ist das Schlimmste, das Eltern passieren kann.»
Auch dieses Jahr war die Arbeit der Prix Courage Jury keine leichte. Die Dossiers, die es zu beurteilen galt, beschreiben Menschen mit Mut, Zivilcourage und Beherztheit.
• Ein Mensch, der aussergewöhnlichen spontanen Mut an den Tag legte;
• ein Mensch, der beharrlich und ohne Rücksicht auf sein Renommee auf Schwachstellen in einer mächtigen Firma hinwies
• oder sogar die Machenschaften ganzer Staaten aufdeckte.
• Ein Mensch, der uneigennützig und mit viel Zivilcourage für jene eintrat, die keine Lobby haben;
• ein Mensch, der als unerwünscht in unserer Gesellschaft gilt und sich trotzdem für jene einsetzt, die noch weniger haben als er.
• Ein Mensch, der körperlich versehrt ist, sich hinstellt und ein Zeichen setzt für Toleranz.
• Zwei Menschen, deren Schicksal die Jury-Mitglieder dazu brachten, zu sagen: «Das ist das Schlimmste, das Eltern passieren kann.»
Aus dem Schlimmsten, das Eltern passieren kann, aus ihrer grossen Not und ihrem Leid heraus engagieren sich Nadya und Candid Pfister für die Gesellschaft. Sie exponieren sich und werden dadurch immer wieder an den Suizid ihrer 13-jährigen Tochter erinnert. Tag für Tag müssen sie sich dem Schlimmsten, das Eltern passieren kann, stellen. Weil sie so mutig waren, öffentlich intimste Gefühle zu teilen, konnten Schulen, Behörden und auch die Politik nicht mehr die Augen verschliessen vor dem, was Céline in den Tod getrieben hat: Cybermobbing.
Ihre Eltern kämpfen nun für einen neuen Straftatbestand Cybermobbing, damit die Tat als Offizialdelikt eingestuft wird und von Amtes wegen verfolgt werden muss. Nadya und Candid Pfister helfen auch aktiv Jugendlichen, die sich noch immer mit Problemen an sie wenden. «Die Jungen sind Cybermobbing immer wieder ausgesetzt. Es muss sich etwas ändern», sagt Nadya Pfister. «Wir sind für die Jungen unterwegs. Viele Jugendliche wollen Rat von uns.» - «Wenn auch nur ein Kind weniger versucht, Suizid zu begehen, haben wir unendlich viel erreicht», fügt Candid Pfister an.
Die Jury war sich einig: Das Ehepaar Pfister verdient den Prix Courage 2020! In einer Welt, in der einer der mächtigsten Männer tagtäglich ungestraft Cybermobbing betreibt, braucht es endlich das gesellschaftliche und politische Bewusstsein, dass immer mehr vor allem junge Menschen Opfer von diesem Mobbing werden, das keine räumlichen und zeitlichen Grenzen kennt.
Jedes Jahr sterben in der Schweiz 800 bis 900 Menschen durch Suizid. Immer mehr Jugendliche setzen ihrem Leben selber ein Ende. Noch immer wird Suizid tabuisiert, noch immer ist zu wenig bekannt, was Cybermobbing bei den meist jungen Opfern bewirkt. Die Jury bewertet das Engagement von Nadya und Candid Pfister als eminent: Cybermobbing ist eine noch stark unterschätzte Gefahr, die bei uns zunehmen wird durch die grosse Reichweite von social media.
Es braucht Menschen, die sich der Sorgen der Jugendlichen annehmen; Sorgen von jungen Menschen, die lernen, wie social media zu benutzen sind und wie man sich schützen kann vor Übergriffigkeiten im Netz. Es braucht aber vor allem Menschen, die sich dafür einsetzen, dass Regeln eingeführt, akzeptiert und durchgesetzt werden. Es darf nicht sein, dass aus Opfern Täter werden, indem man sagt: «Hätten sie doch nachgedacht, bevor sie gepostet haben.»
Nadya und Candid Pfister haben ihr Kind verloren. Sie haben das Schlimmste erlebt, was Eltern passieren kann. Und doch haben sie die Energie und die Zivilcourage gefunden, sich auf politischer Ebene dafür einzusetzen, dass sich kein Kind mehr wegen Cybermobbing umbringt.
Dafür gebührt ihnen der Dank der Prix Courage Jury und eine grosse Anerkennung ihrer Zivilcourage.
Freitag, 30. Oktober 2020 Es gilt das gesprochene Wort.
Quelle und Link: Beobachter.ch "Prix Courage 2020"