Die Kampagne «Not a Joke – Gib Mobbing keine Chance» soll Kinder und Jugendliche sensibilisieren. Doch damit sei es nicht getan, sagt ein Experte – und drängt auf schnelle Massnahmen.
Mit der Verbreitung von Smartphones und den sozialen Medien hat sich auch das Mobbing ins Internet verlagert. Veröffentlichte Nacktbilder, anonyme Täter und das Gefühl, nicht entkommen zu können, machen es besonders schwierig für Betroffene.
Diese Woche lancierte die nationale Plattform Jugend und Medien, welche dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) angehört, in Zusammenarbeit mit Pro Juventute der Schweizerischen Kriminalprävention die Kampagne «Not a Joke – Gib Mobbing keine Chance». Im Fokus steht das Cybermobbing.
Jungs mobben häufiger
Gemäss einer Studie von Sucht Schweiz sind 82 Prozent der Elf- bis 15-Jährigen täglich online. 65 Prozent nutzen jeden Tag soziale Netzwerke wie Tiktok, Instagram oder Snapchat – vor allem Mädchen.
Zudem gaben elf Prozent der Elf- bis 15-Jährigen an, in den letzten Monaten im Internet gemobbt worden zu sein. Mädchen waren häufiger Opfer als Jungen. Diese mobbten dagegen häufiger als Mädchen – rund fünf Prozent der Schülerinnen und Schüler gaben an, in den letzten Monaten eine andere Person gemobbt zu haben.
Cybermobbing beginnt meist offline
«Mobbing ist kein neues Phänomen – aber wir beobachten eine steigende Tendenz», sagt Pascal Kamber, Fachberater bei der Fachstelle «Hilfe bei Mobbing». Oftmals beginne Mobbing offline und verlagere sich dann ins Netz.
«Beim konventionellen Mobbing haben Betroffene eine Pause, wenn sie etwa von der Schule nach Hause kommen. Cybermobbing hingegen ist 24 Stunden am Tag möglich und erreicht dazu noch eine viel höhere Reichweite», sagt Kamber. Dazu können sich Täter im Netz anonymisieren – was die Hemmschwelle senke und das Mobbing noch hässlicher und intensiver werden lasse.
Betroffene sollen sich an Vertrauenspersonen wenden
Besonders bei Kindern und Jugendlichen sei es wichtig, dass diese sich an eine erwachsene Person wenden, wenn sie gemobbt werden, sagt Fachberater Kamber. Dies können etwa Eltern, Lehrpersonen oder sonstige Vertrauenspersonen sein.
Gerade beim Cybermobbing spiele oft eine Sexualisierung mit – etwa bei Nacktbildern. Hier sei die Hemmschwelle, sich an Erwachsene zu wenden, für Betroffene besonders hoch. Doch Hilfe zu holen, sei wichtig: «Aus einer Mobbingsituation kommen die wenigsten Kinder und Jugendlichen von selbst wieder heraus», sagt Kamber.
Fachberater übt Kritik
Vom Vorhaben der Behörden ist der Fachberater jedoch nicht überzeugt: «Alleine mit Kampagnen ist noch zu wenig gemacht», so Kamber. «Es braucht hier eine nachhaltige Vorgehensweise und das sehr schnell – anstatt das Thema zu bagatellisieren, müssen sich die Politik, der Bund, die Kantone und Gemeinden dem Thema annehmen», sagt er. So sollen etwa bereits in der Grundausbildung die schulischen Fachpersonen in den Themen Mobbing, Cybermobbing und Konflikte ausgebildet werden, fordert Kamber.
Nina Hobi, Projektleiterin bei Jugend und Medien, betont: «Die Sensibilisierung, wie beispielsweise mit Hilfe einer Kampagne, ist ein wichtiges, aber nicht das einzige Werkzeug im Kampf gegen Mobbing und Cybermobbing. Wir halten es für eine enorm wichtige Problematik, weshalb wir unseren aktuellen Schwerpunkt diesem Thema gewidmet haben. Der Schwerpunkt wird bis im Sommer 2024 laufen und noch weitere Massnahmen umfassen, zu denen ich zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Auskunft geben kann.»
Im Rahmen des Forums Jugend und Medien, welches diese Woche stattgefunden hat, war Cybermobbing das Thema eines der beiden Keynote-Referate. «Ausserdem haben wir einen Workshop dazu angeboten, wie Schulen mit dem Thema Mobbing und Cybermobbing umgehen können.»
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von (Cyber-)Mobbing betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Fachstelle Mobbing (kostenpflichtig)
Elternberatung, Tel. 058 261 61 61
Hilfe bei Mobbing, Fachstelle für Schulen und Eltern (kostenpflichtig)
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Comments